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The Missing Link

Karl Bonhoeffer und der Weg in den medizinischen Genozid

Die zwei von Igael Tumarkin in Israel geschaffenen Assemblagen, die er dem Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg 1999 gespendet hat, sind ein politischer Protest wegen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Karl Bonhoeffer begangen wurden.

Aus innerer Überzeugung arbeitete er als Richter am Erbgesundheitsobergericht und erzwang in dieser Position und als Gutachter die Sterilisation psychiatrisierter Menschen. Diese Tat ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie im israelischen Gesetz „Verfolgung von Nazis und ihren Helfern" § 1 (A ; 2) von 1950, beschrieben ist.
Die Bedeutung dieser Skulpturen ist, daß sie Licht in das Dunkel bringen sollen, welches das Missing Link zwischen der rassistischen Ideologie, die auf Biologie rekurriert, und ihrer mörderischen Verwirklichung im Holocaust verhüllt:
Erst kommen die gewaltsamen „medizinischen" Eingriffe in die Körper der Opfer und dann ihre Ermordung!
Diese Skulpturen weisen auf den Verbrecher hin und offenbaren seine Schuld. Bis heute hat es keine Würdigung der Verantwortung des medizinischen Apparats für die Errichtung der Vernichtungslager gegeben.
Von allen Berufsgruppen hatten die Mediziner und Psychiater den höchsten Organisationsgrad in der NSDAP.
Soziale Kontrolle ist die Grundlage des Handelns in der Psychiatrie. Durch die Pathologisierung von Verhalten, der Zuschreibung von Krankheit, sichert sie die herrschende Ideologie in der Gesellschaft ab.

Tatsächlich war die Nazi - Ideologie die Erfüllung dessen, was Psychiater schon lange gefordert hatten: Emil Kraepelin 1918: „Ein unumschränkter Herrscher, der ... rücksichtslos in die Lebensgewohnheiten der Menschen einzugreifen vermöchte, würde im Laufe weniger Jahrzehnte bestimmt eine Abnahme des Irreseins erreichen können."

Die Nazis vollendeten eine medizinisch-psychiatrische Politik die Ernst Klee so zusammengefaßt hat: „Nicht die Nazis haben die Ärzte gebraucht sondern die Ärzte die Nazis!"

Karl Bonhoeffer wurde niemals für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.
In Deutschland wurde er nie angeklagt, sondern im Gegenteil, er wird bis zum heutigen Tage verehrt: Eine Berliner S- und U-Bahnstation, sowie die größte psychiatrische Klinik in Berlin soll nach ihm benannt bleiben. In der Charité wird immer noch daran festgehalten, einen Raum in der Psychiatrie zu seiner Ehrung benannt zu lassen.
Dies ist nur möglich, weil seine Opfer „die Anderen" sind: „Homosexuelle", „Schizophrene", „Mischlinge" usw., und sie deswegen keine Lobby haben, die seine Verbrechen angeklagt und für die Entfernung seines Namens gesorgt hätte.
Die Gesundheitssenatorin Beate Hübner hat dem Abgeordnetenhaus am 31.8.98 auf eine kleine Anfrage der Grünen mitgeteilt: „Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist bekannt, daß Prof. Dr. Karl Bonhoeffer in der Zeit des Nationalsozialismus Gutachten für den Erbgesundheitsgerichtshof erstellt hat. Darüber hinaus war er selbst Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin". Karl Bonhoeffer hat als Richter und Gutachter an mindestens 55 Sterilisationsverfahren verantwortlich mitgewirkt, die zumindest zu 26 zwangsweise durchgeführten Verstümmlungen geführt haben (siehe Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 13/3883).

Dieses wertvolle Geschenk hat seine besondere Bedeutung dadurch, daß den Skulpturen die Transformation zweier Büsten von Karl Bonhoeffer zugrundeliegen. Die eine war bis zum Herbst 1998 im Karl Bonhoeffer Raum in der Psychiatrie der Charité (heute Gert Postel Raum), die andere befand sich am Zugangsweg auf dem Gelände der Lady-Diana-Clinic (frühere Karl Bonhoeffer Nervenklinik).

Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg
in Zusammenarbeit mit Israeli Association Against Psychiatric Assault

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